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Buch-Rezension: Bela B Felsenheimer – "Scharnow"

Scharnow ist der erste Roman vom Die Ärzte-Sänger- und Schlagzeuger Bela B, der in einem gleichnamigen, fiktiven, tristen, ostdeutschen Örtchen nahe Berlin spielt, indem sich die Dinge auf einmal in absurder Weise überschlagen.

Mit Scharnow veröffentlichte Bela B Felsenheimer, bekannt unter anderem als Schlagzeuger und Sänger der deutschen Punk-Band Die Ärzte, am 25. Februar diesen Jahres seinen ersten Roman, der größtenteils in dem gleichnamigen, fiktiven, kleinen Ort in der Nähe von Berlin spielt. Es ist eine langweilige Gegend – eine ostdeutsche Tristesse – in der, wie innerhalb des Buches oft betont, nicht viel passiert. Erst am Tag X ereignen sich einige Dinge, die größere Aufmerksamkeit auf sich ziehen, die ich aber hier nicht vorwegnehmen möchte. Ich selbst habe Scharnow gelesen ohne vorher etwas über die Handlung zu wissen. Es ist auch ein schwieriges Unterfangen zu beschreiben, worum es eigentlich geht, weshalb man wohl vollends auf einen Klappentext verzichtet und stattdessen ein Zitat aus der Rezension eines fiktiven, im Buch auftauchenden Literaturbloggers eingefügt hat: "Scharnow ist über(all)." Dafür findet man im Innenbereich des Umschlags einen kleinen Umriss:

In Scharnow, einem Dorf nördlich von Berlin, ist der Hund begraben. Scheinbar. Tatsächlich wird hier gerade die Welt gewendet: Schützen liegen auf der Lauer, um die Agenten einer Universalmacht zu vernichten, mordlustige Bücher richten blutige Verheerung an, und mittendrin hat ein Pakt der Glücklichen plötzlich kein Bier mehr. Wenn sich dann ein syrischer Praktikant für ein Mangamädchen stark macht, ist auch die Liebe nicht weit.

Scharnow hat durchwachsende Rezensionen bekommen und es fällt nicht schwer zu verstehen warum. Der Roman hat keine umfassende Rahmenhandlung und die Handlungen, die es gibt, sind nicht komplex, dafür aber skurril und unterhaltsam. Da gibt es schwule Eichhörnchen, Menschen mit Superkräften und ein Buch, das über telepathische und mörderische Fähigkeiten verfügt. Der Spaß kommt einem also ganz bestimmt nicht abhanden, wenn man vom Bund skeptischer Bürger, Verschwörungstheorien und dem Pakt der Glücklichen liest, deren Hauptbeschäftigungen Saufen und Trash-Filme gucken sind. Doch die vorkommenden Figuren sind durchaus dynamisch und vielschichtig. Für ein Buch voller unrealistischer Dinge erscheint Scharnow durchaus realistisch und seine Figuren nachvollziehbar.

Die Handlung wird aus mehreren Perspektiven geschrieben, die auch innerhalb der Kapitel mal von Person zu Person springt, auch dadurch, dass sich die Figuren in dem kleinen Kaff immer mal so über den Weg laufen. Der Leser verliert dadurch aber nicht den Überblick, wie das am Anfang des Buches platzierte, mehrseitige Personenverzeichnis suggeriert, das ich allerhöchstens am Anfang ein-oder zweimal zu Rate gezogen habe. Es dient am Ende eher als kleines Gimmick, denn als Ersatz für eine Charakterexposition, die wird nämlich zu jeder Figur erfolgreich gegeben. Man schafft es sich Mitglieder einer rechtsnationalistisch angehauchten Organisation oder Gigolos mit gebleichten Zähnen, Bodybuilder-Körper und übergrifflichem Verhalten vorzustellen und sie sogar ein Stück weit zu mögen. All diese Dinge werden mit einem gehörigen Augenzwinkern und einer guten Portion Ironie erzählt. Der Schreibstil von Bela B beflügelt die Fantasie und steigert den Unterhaltungswert der einzelnen Geschichten nur noch weiter und ist einer der großen Pluspunkte des Romans. Er haucht den Geschehnissen Leben ein und macht Scharnows Inhalte erst wirksam. Den vielen Ideen, die Bela B für Scharnow gehabt hat, wird er ebenfalls gerecht, wobei ich das mordlustige Buch als die Regel bestätigende Ausnahme nennen muss. Aber auch dessen Existenz wird zu einem "sinnvollen" Ende geführt. 

Durch das Erzähltempo, den Humor und die zeitlosen, politischen Kommentare bleibt Scharnow stets interessant. Es saugt den Leser ein.