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Album-Review: A Perfect Circle – Eat the Elephant
A Perfect Circle ist eine US-amerikanische Progressive-Rock-Supergroup. Im Laufe ihres nun 20-jährigen Bestehens hat die Band nur drei Studioalben veröffentlicht, ihr letztes Projekt und Comeback, Eat the Elephant, wurde von Fans und Kritiken eher gemischt aufgenommen. Es ist poppiger und auf weite Strecken minimalistisch instrumentiert. Dazu kommt A Perfect Circles Gradwanderung zwischen Bedeteungsschwere und Pathetik. Eat the Elephant hat Songs die ich in der Luft zerreißen möchte (Hourglass, Get the Lead Out) und Tracks, die fantastisch funktionieren.
Eingeleitet wird Eat the Elephant durch ein Song-Quartett, in dessen Verlauf sich die Instrumentation zunehmend intensiviert. Der Titeltrack und Opener läutet dieses Komplex mit seiner feinen und minimalistischen Instrumentation aus Piano und Schlagzeug dabei wunderschön ein. Angeblich schrieb Billy Howerdel diesen Song für Linkin Park bzw. den leider verstorbenen Chester Bennington. Maynard James Keenan hat Eat the Elephant aber zu seinem eigenen Stück gemacht. In seinen Lyrics geht es darum sich zu überwinden und den schwierigen Weg, den man beschreitet, weiterzugehen. Just take the step / just take the swing / just take the buy / just go all in. Dies umrandet das große Thema des Albums bereits. Es geht um die Verantwortlichkeit, Rechenschaftspflicht des Menschen, die aus seinen Aktionen resultiert. Keenan hat genau das als Schwäche der modernen Gesellschaft ausgemacht. Der Name des zweiten Songs Disillusioned suggeriert ein weiteres Eingehen auf diese Wahrnehmung. Eigentlich behandelt die Single, auf der wir erstmals auf Eat the Elephant Gitarren a la Billy Howerdel hören, die Überbenutzung von technischen Geräten, insbesondere des Smartphones. Keenan geht an diese Thematik jedoch nicht mit einer veralteten, konservativen Einstellung heran. Wir sollen über unsere Geräte hinausschauen: Time to put the silicon obsession down / Take a look around, find a way in the silence. Der nächste Song im Bunde, The Contrarian, hat musikalisch einen mittelalterlichen Touch, aber wieder einmal fantastische Schlagzeugarbeit, die auf dem Finale - The Doomed - fortgesetzt wird. Hier sind erstmals die alten Hard-Rock-Zeiten spürbar, jedoch versetzt mit elektronischer Experimentation und Industrial. Keenans Vocals driften teils in Screams und Distortion ab. Verständlich, wenn man sich die Lyrics anguckt, in denen er auf sarkastische Weise soziale Ungleichheit und die Ignoranz vieler Vertreter der Oberschicht thematisiert.
Es folgt der Bruch mit dieser Art der Dramatik, wenn die Single So Long, and Thanks for All the Fish, völlig deplatziert die Melancholie und Wut durchbricht. Dabei wird die bisherige lyrisch-politische Direktheit des Albums hier auf die Spitze getrieben, wenn Maynard James Keenan den Weltuntergang skizziert und den "gefallenen" Idolen der 10er Respekt zollt - vollkommen ausgelassen, fröhlich und optimistisch, versteht sich. Wenn man diesen Hintergrund des Songs kennt, wird sein Vorhandensein auf Eat the Elephant auf einmal von einer Frechheit zu einem genialen Schachzug.
Musikalisch irgendwo zwischen A Perfect Circles Debüt-Album Mer de Noms und dem Follow-up Thirteenth Step kategorisierbar, aber garantiert nicht passend zum auf Eat the Elephant vorangegangen Track, ist die Hard-Rock-Ballade Talk Talk, auf der sich Maynard James Keenans bekannte und verständliche Anti-Christ-Haltung bemerkbar macht. You're waiting / On miracles / We're bleeding out [...] Don't be the problem / be the solution [...] Faith without works is / Dead.
Aber auch all diese Highlights können nicht über die misslungenen Experimente auf der B-Seite des Albums hinwegtäuschen. Waren Songwriting, Instrumentation und Lyrics bis zum siebten Track gelungen, kreativ und erfrischend, so ist alles was folgt enttäuschend und schlicht gesagt schlecht. Letzter Trost ist der siebte Titel selbst, By and Down the River, der als guter Closer für ein kurzes Album dienen kann und dies für mich auch tut.
6 / 10
Anspieltipps: "So Long, and Thanks For All the Fish"; "The Doomed"; "Disillusioned"
Highlights: "The Contrarian"; "By and Down the River"; "Eat the Elephant"
Eat the Elephant auf Spotify: https://open.spotify.com/album/3Jr1RhAyndBxtyi8rJs3Op?si=oCGQiTO-R12Y7_39BT4yTA
Eat the Elephant auf Apple Music: https://music.apple.com/de/album/eat-the-elephant/1340651075