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Höranleitung: Kate Bush – Was hören nach "Hounds of Love"?

In diesem Folgebeitrag zu meiner Review von "Hounds of Love" als Teil der Reihe "Essenzielle Alben" gebe ich eine Höranleitung für die Kate Bush-Diskographie. Was soll man nach "Hounds of Love" als nächstes hören? Und was wiederum danach? In diesem Rahmen bespreche ich die Alben "The Dreaming" und "The Sensual World" etwas genauer, wenn auch in kurzer und knackiger Form.

Hounds of Love ist das essenzielle Kate Bush-Album, ihr größter Erfolg und ihr Meisterwerk. Wenn ihr wissen wollt, warum das so ist und wieso Kate Bush gerade überhaupt wieder in aller Münde ist, könnt ihr hierklicken für den von mir geschriebenen Artikel im Rahmen der Reihe Essenzielle Alben.

Hat man sich einmal mit Hounds of Love eingefuchst, wird man sich sicherlich fragen, wo es denn als Nächstes hingehen soll. Diese Antwort will ich heute liefern. Oben in der flow chart steht es auch schon. Wollt ihr es experimenteller und ausgefallener? Auf geht's zu The Dreaming! Oder soll es doch lieber erst einmal etwas Ähnliches und gleichzeitig ähnlich Gutes sein? Dann ist The Sensual World die richtige Wahl. Und genau diese beiden Alben möchte ich heute kurz und knackig besprechen! Im Anschluss gibt es noch die Erweiterung der flow chart, die euch durch die gesamte Kate Bush-Diskographie leiten soll.

Kurzreview: "The Dreaming"

1982 ist The Dreaming als viertes Album von Kate Bush gescheitert – zumindest aus Kritiker- und Zuhörerperspektive der Zeit. Heute ist es Fan-Liebling und gilt als eines der drei Klassiker von Kate Bush. Beide Seiten der Medaille sind nachvollziehbar. The Dreaming ist ein seltsames Album, dass definitiv nicht direkt zugänglich und vor allem nicht (sofort) emotional nachvollziehbar ist. Kate Bush begann hier ihre Entwicklung vom Pop-Star zur Art-Rock-Ikone, während sie die Production-Fäden erstmalig vollkommen eigenständig zieht; eine kleine feministische Revolution für die 1980er und Wegebner für das kommende, revolutionäre Hounds of Love

Auf The Dreaming experimentiert Bush intensiv – so sehr wie vielleicht kein Projekt der Pop-Musikgeschichte – mit ihrer Stimme und setzt auf schrullige Instrumentierungen, die oft im Kontrast zu den zunehmend politischen, düsteren und gesellschaftskritischen Themen stehen (Pull Out the Pin; The Dreaming).
Das Cover ­– übrigens mein Lieblingscover von Kate Bush – zeigt den Zauberer Harry Houdini und seine Frau (dargestellt von Kate Bush selbst) bei einem von Houdinis Zaubertricks. Im Mund hat Bush einen Schlüssel. Es ist das entscheidende Detail für das Gelingen des Tricks. Um den Schlüssel unauffällig zu übergeben, küssen sich die beiden Akteure. Genau diese Szene wird im Song Houdini beschrieben, der mit Abstand das ausgefallenste Stück des Albums ist.
Mein persönlicher Favorit von The Dreaming ist Night of the Swallow. Der Song wurde nur in Irland als Single auskoppelt, was viel über die Instrumentation aussagt, die von Einflüssen irischer Volksmusik durchtränkt ist. Kate Bushs Mutter selbst war Irin, was wahrscheinlich der Grund für die vielen irischen Anleihen in ihrer Musik ist, die auch auf Songs wie Jig of Life von Hounds of Love wiederkehren. 
Trotz der Unnahbarkeit von The Dreaming, ist es für mich noch unentschieden, welches Album ich präferiere: dieses oder doch The Sensual World. Wer es also wirklich weird sowie gleichzeitig düster-politisch und skurril-spaßig mag, für den ist dieses Album der perfekte erste Schritt nach Hounds of Love!

9 / 10

Anspieltipps: "There Goes a Tenner"; "Suspended in Gaffa"
weitere Highlights: "Night of the Swallow"; "Sat In Your Lap"; "Leave It Open"; "Pull Out the Pin"; "Houdini"


Tracklist und Ratings
  1. Sat In Your Lap | 90
  2. There Goes a Tenner | 95
  3. Pulling Out the Pin | 90
  4. Suspended in Gaffa | 95
  5. Leave It Open | 90
  6. The Dreaming | 90
  7. Night of the Swallow | 95
  8. All the Love | 80
  9. Houdini | 90
  10. Get Out of My House | 85

Kurzreview: "The Sensual World"

4 Jahre nach Hounds of Love veröffentlichte Kate Bush ihr mit Spannung erwartetes, sechstes Studioalbum The Sensual World, mit dem sie sich selbst nicht zufrieden zeigte, jedoch ihren Status als Art-Pop-Queen festigte. Im Gegensatz zu ihrer eigenen Unzufriedenheit waren Kritiker und Fans nämlich begeistert. The Sensual World war Kate Bushs bisher selbstbewusstestes, erwachsenstes und sattestes Album. Die Songs stehen mehr als Einzelstücke im Vergleich zu The Dreaming oder Hounds of Love und repräsentieren eine Vielzahl verschiedener Stimmungen. Darum könnte The Sensual World vielleicht sogar das zugänglichste Kate Bush-Album sein. 
Im Gegenzug dafür, dass The Sensual World weniger konzeptuell gestaltet ist als Hounds of Love, erzählen die einzelnen Songs umso stärkere Geschichten, setzen umso stärkere Statements, was vor allem das damals futuristische, heute realistische Deeper Understanding, die skurille Hitler-Story von Heads We're Dancing oder der legendäre Closer This Woman's Work beweisen. Für mich sind die Highlights dennoch die Tracks, auf denen Kate Bush instrumentell zur Höchstform aufläuft. Im Vergleich zu vorangegangenen Werken passiert das auf The Sensual World in einer expressiveren, wenn auch simpleren Weise: mit rockigen Gitarren. Auf Love and Anger und Rocket's Tail ist jeweils David Gilmour von Pink Floyd – der Entdecker von Kate Bush – an der Gitarre zu hören. 
The Sensual World ist ein Album über das man nicht viel nachdenken muss. Gleichzeitig bietet es sehr viel Stoff zum Nachdenken, wenn man es denn will. Musik und Texte haben viel Tiefe – auf eine ganz andere Weise als The Dreaming
Kate Bush springt von Hit zu Hit, von Geschichte zu Geschichte. Insofern könnte man The Sensual World als die Erweiterung des Konzepts der ersten Seite von Hounds of Love betrachten. Bush verzichtet auf die Prog-Suite und reiht einfach über zwei Vinyl-Seiten individuell für sich stehende Tracks aneinander. In diesem Falle funktioniert es perfekt. Jeder Song könnte jemandes Liebling sein und sie alle werden zusammengehalten durch stilistische Ähnlichkeiten. 

9 / 10

Anspieltipps: "Love and Anger"; "This Woman's Work"
weitere Highlights: "Deeper Understanding"; "The Sensual World"; "Reaching Out"; "Never Be Mine"; "Rocket's Tail"


Tracklist und Ratings
  1. The Sensual World | 95
  2. Love and Anger | 95
  3. The Fog | 85
  4. Reaching Out | 90
  5. Heads We're Dancing | 75
  6. Deeper Understanding | 95
  7. Between a Man and a Woman | 85
  8. Never Be Mine | 90
  9. Rocket's Tail | 90
  10. This Woman's Work | 100

Die komplette Höranleitung