Spoilerfreie Serien-Kritik: The Witcher – Staffel 2 (Netflix, 2021)
Am 17. Dezember ist die heiß erwartete zweite Staffel der Netflix-Fantasy-Serie The Witcher erschienen. Die Buchadaption wurde zeitweise als Netflix' Game of Thrones gehandelt und die erste Staffel hatte 2019 schon heiße Diskussionen ausgelöst, da sie sich einer nicht-linearen Erzählweise mit zeitlich verschobenen Handlungssträngen bediente, was erst später in der Staffel für den Zuschauer ersichtlich wurde, und außerdem episodisch orientiert war. Das lag daran, dass sie größtenteils Material aus den der Haupthandlung des Witcher-Universums vorausgehenden Kurzgeschichtenbänden adaptierte. Meiner Meinung nach hat das wunderbar funktioniert – besonders als Einstieg in eine völlig neue Welt.
In der zweiten Staffel geht die Serie nun zu einer linearen Erzählweise über und widmet sich mehr oder weniger jener Haupthandlung. Dabei rückt vor allem die Figur der Cirilla von Cintra als eine Art Auserwählte in den Mittelpunkt. Geralt von Riva – der Witcher – wird zur Vaterfigur, die wenig mit der Figur aus der ersten Staffel zu tun hat. Er ist weniger grummelig, knapp und profitorientiert, dafür aber gefühlsduselig und furchtbar verantwortungsbewusst. Seine primäres und gefühlt oft einziges Interesse ist es Ciri zu beschützen. Und das wird schnell eindimensional und langweilig.
Die Geschichte, die sich dabei entwickelt, und mit irgendwie unfokussiertem Worldbuilding verbunden wird, hat, laut Buchlesern, nur wenig mit der Handlung der Bücher zu tun, die man eigentlich adaptieren wollte und sollte. Dabei wirkt gerade das Worldbuildung, dass den eher unaufmerksamen Zuschauer überfordern dürfte, als wäre es für Leser der Bücher gemacht, denn die Serie wirft mit Begriffen um sich, die entweder gar nicht oder nur sehr kryptisch erklärt werden.
Apropos kryptisch, auch die Dialoge bestehen größtenteils aus leeren Floskeln und unnötigen Rätseln, sodass man als Zuschauer teilweise überhaupt nicht weiß, was die jeweiligen Charaktere nun eigentlich sagen wollen oder aber genervt die Augen verdreht, weil jeder zweite Satz vor Pathos und clichéhaft aufgerollten Clichémessages geradezu trieft. Das ist ein riesiger Kontrast zu den trockenen Dialogen aus der ersten Staffel. Es wirkt insgesamt, als würde die Serie sich viel zu ernst nehmen.
Es ist also verständlich, dass viele Fans der Bücher und auch der erfolgreichen Videospiele sehr enttäuscht sind. Und nicht nur das, sie sind oft sogar wütend, was ich ebenfalls verstehen kann. Es wirkt immer arrogant, wenn die Autoren einer Serie meinen, sie könnten es besser als der Erfinder der Welt selbst. Anstatt das zu tun, wofür sie beauftragt wurden, was die Zuschauer erwarten, nämlich eine Adaption, schreiben sie ihre eigene Geschichte, verändern die Figuren und ihre Motive. Bei Fantasy-Welten KANN das nicht vollkommen gelingen, denn nur der Erfinder, der Erdenker, das Genie hinter der Welt, versteht diese bis ins Detail. Und auch nur er weiß um jedes Detail, das die jeweiligen Figuren ausmacht. Wäre ich der Autor, an dessen Material unnötig herumgepfuscht wird, ich würde mir verarscht vorkommen! Seien wir mal ganz ehrlich, immer wenn Fantasy- oder Science-Fiction-Filme- bzw. Serien ohne inhaltliche Gründe stark oder komplett von der Geschichte ihres Quellenmaterials abweichen, resultiert es mehr oder weniger im Desaster. Man sieht es bei Game of Thrones ab Staffel 5 zunehmend oder bei den Percy Jackson-Filmen oder bei der Hobbit-Trilogie.
Trotz all dieser Kritik, habe ich die zweite Staffel von The Witcher bis zum Finale größtenteils genossen. Ich wurde von der Welt, ihrer Politik, ihrer Magie und ihren Geheimnissen eingesogen und konnte kaum aufhören zu gucken. Wenn man sich voll in die Welt hineinbegibt, kann man, bis auf einige der genannten Störfaktoren und bis zum wenig sinnhaften CGI-Finale, auf jeden Fall etwas im Heimkino erleben. In diesem Sinne hoffe ich auf die dritte Staffel, denn wenn sich die Macher die Kritik der Fans zu Herzen nehmen, können sie das Ruder auf jeden Fall rumreißen! Das Potential ist da.
6 / 10