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Essenzielle Alben: George Harrison – All Things Must Pass | 50th Anniversary Review

Ich kann Phil Spector nicht leiden. Also seinen Production- und Mixing-Stil. „Wall of Sound“ nennt man das wohl. Auf Let It Be ist das noch ganz passabel anzuhören und John Lennon’s erste (und beste) Soloalben Plastic Ono Band und Imagine sind zum Glück instrumentell recht minimalistisch und inhaltlich passend zu Spector’s in your face-Soundpraktiken. George Harrison’s erstes Solowerk All Things Must Pass allerdings ist detailreich, vielschichtig und sehr dicht. Phil Spector’s Mix bevorzugt den Aspekt der Dichte und schlägt dafür das Subtile und Detailreiche in den Wind. Da hat es auch nicht geholfen, dass Harrison selber – Spector konnte das Tüfteln an All Things Must Pass nicht abschließen – noch mehr Overdubs mit Streichern und Schnick-Schnack hinzufügte. Wenn es also nach den alten Mixes geht, ist es für mich schwierig All Things Must Pass als bestes Soloprojekt eines Beatle anzusehen. Zum 50. Geburtstag des Albums ändert sich das und ein Wunsch geht, dem aktuellen Trend entsprechend, in Erfüllung – dafür sind Geburtstage ja auch da! Paul Hicks hat All Things Must Pass einen schönen Remix verpasst. Das Resultat ist natürlich nicht genauso atemberaubend tiefgründig wie bei seiner Überarbeitung von John Lennon/Plastic Ono Band aus diesem Jahr, aber immerhin ein gigantischer Schritt nach vorne. All Things Must Pass klingt so gut wie noch nie! Angesichts dessen kann ich nun sagen: Es ist das wohl das kreativste, vielleicht beste Beatles-Soloalbum.

Zum Bonus-Material kann ich nicht viel sagen. Ich besitze lediglich die Green-Splatter-3LP-Box ohne Demos, Rehearsals etc. Ich stehe ehrlich gesagt sowieso nicht auf solcherlei Dinge. Mir reichen die Endprodukte wie der Künstler sie wollte. Bonus-Material ist aber aber natürlich auch in meiner 3LP-Box enthalten, nämlich in Form der dritten LP. Sie enthält wie gewohnt den Apple Jam, der irgendwie zum Album dazugehört und es ja auch zum Triple-Album macht; ein revolutionäres Format, das keiner braucht. Genau wie den Apple Jam. Den braucht auch keiner.
Zur Musik auf den ersten beiden LPs gibt’s nicht mehr viel zu sagen. Es wurde ja schon alles in den letzten 50 Jahren gesagt. Ich persönlich finde die erste Hälfte des Albums etwas stärker. My Sweet Lord, Isn’t It a Pity in der langen Version, Run of the Mill, I’d Have You Anytime, Behind That Locked Door und das wundervolle Bob Dylan-Cover If Not For You sprechen da für sich. Einzig Let It Down hat sich mir hier noch nicht ganz erschlossen. Die zweite Hälfte beinhaltet mit Beware of Darkness, dem Titeltrack, Art of Dying und Here Me Lord meiner Meinung nach nur vier Highlights. Für George Harrison gilt auf All Things Must Pass zum Glück das Gleiche wie für die Beatles in ihrem gesamten Katalog: Man verzeiht und liebt irgendwie sogar die schwächeren Momente. Das hat kein anderer Beatle solo geschafft.

9 / 10

Essenzielle Songs: "My Sweet Lord"; "Isn't It a Pity (Version 1)"; "I'd Have You Anytime"; "Behind That Locked Door"
weitere Highlights: "Beware of Darkness"; "Run of the Mill"; "If Not For You"; "What Is Life"; "Art of Dying"; "All Things Must Pass"; "Here Me Lord"